Was passiert bei Atempausen (Kumbhaka)?
Da ist er wieder, dieser Moment in der Yogastunde. Dein:e Yogalehrer:in leitet an, am Ende deiner nächsten Ausatmung den Atem anzuhalten. Während du den Atem pausierst, verspürst du mehr und mehr den dringlichen Drang, einzuatmen, vielleicht steigen sogar leichte Panik-Gefühle in dir hoch. Kumbhaka nennt man die Pranayama-Praxis der Atempausen – man sagt, es gibt 70 verschiedene Arten, Kumbhaka zu üben. Eine ganz klassische Form von Kumbhaka ist die Atempause am Ende einer Ausatmung. Was passiert eigentlich physiologisch wenn wir Kumbhaka praktizieren?
Der Weg vom Sauerstoff in die Zelle und zurück
Um die Frage zu beantworten, müssen wir zuerst die Rolle von CO2 (Kohlenstoffidoxid) etwas näher beleuchten. Unser Blut erhält im Rahmen des Gasaustauschs in den Lungenbläschen Sauerstoff. Dieser Sauerstoff muss nun in die Zellen transportiert werden, die den Sauerstoff für verschiedene Stoffwechselvorgänge benötigen. Als Abfallprodukte dieser Stoffwechselprodukte entsteht in den Zellen dann wiederum Kohlenstoffdioxid, das über das Blut zu den Lungenbläschen transportiert wird, so in der Lunge landet und dann abgeatmet wird.
Und wie genau kommt der Sauerstoff in die Zellen? Er braucht ein Taxi, um durch die Blutbahnen cruisen zu können. Dieses Taxi heißt Hämoglobin (unser roter Blutfarbstoff). Jedes Hämoglobin-Taxi kann vier Sauerstoff-Moleküle mitnehmen. Und jetzt kommts: Ob das Sauerstoff-Molekül aus dem Taxi aussteigen und in die Zelle „eintreten“ kann, hängt vom Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut ab. Kohlenstoffdioxid ist also der „Schlüssel“, um die Taxi-Tür zu öffnen. Auf physiologisch nennt man das „Bohr-Effekt“.
Kohlenstoffdioxid und Atempausen
Wenn wir Atempausen machen, sammelt sich CO2 im Blut an, da wir es nicht abatmen. Dadurch werden die Sauerstoff-Taxis dazu angeregt, Sauerstoff an die Zellen abzugeben. Irgendwann braucht der Körper aber neuen Sauerstoff, weil die Taxis leer sind und der Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut immer weiter steigt -> du verspürst den intensiven Drang, zu atmen.
Warum üben wir nun Atempausen? Durch das Üben solcher Pausen trainieren wir langfristig die Toleranz des Körpers gegenüber hohen CO2 Levels im Blut. Der intensive Drang, wieder einzuatmen, kann also immer länger hinausgezögert werden, da der Körper weniger sensibel auf die steigenden CO2 Levels reagiert und den vorhandenen Sauerstoff „effizienter“ einzusetzen lernt. Dies verbindet man unter anderem mit höherer Stress-Resilienz und weiteren positiven Gesundheitsparametern wie einer Verringerung von Entzündungswerten und einem verbesserten Immunsytem.
Kombinieren kann man Atempausen auch mit aktiver Bewegung – in diesem Fall wird der Sauerstoff noch schneller von den Zellen verbraucht und das CO2 Level im Blut steigt entsprechend schneller. Quasi Kumbhaka 2.0..
Das Gefühl, nach einer längeren Atempause wieder einzuatmen ist auf jeden Fall eines: unbezahlbar. Ein einfaches Mittel, um zu spüren und zu fühlen, wie unglaublich wertvoll unser Atem ist. Auf geht’s: Inhale. Exhale. Pause. Repeat.
Bilder: Canva.com